"Ich finde im Menschen ein Miniuniversum. Ich finde die Materie, die Bewegung und den Geist"

 



Die Heilkunst kehrt zurück


In dem Haus in der Bilsdorfer Strasse 33 in Saarwellingen wurde schon vor mehr als 100 Jahren, Linderung und Heilung vermittelt. Die Ur-Ur-Grossmutter von Jörg Fritz galt als Kräuterkundige und Knochenflickerin. Hier ein paar Daten, teils exakt, teils nach Familienüberlieferung aufgezeichnet.

Am 13. Mai 1840 wurde Elisabeth Jochen als Tochter des Ölmüllers und Leinwebers Johann Jochen zu Saarwellingen in der heutigen Lebacher Strasse geboren. "Olichmillers Lies" erlernte schon früh das Wissen um Pflanzenheilkunde, Kräuter und Naturheilmittel durch ihre Großmutter, die von der damaligen Herrschaft Nassau-Saarbrücken zur Hebamme für Saarwellingen bestellt war. Lies selbst, hatte Zeit ihres Lebens einen guten Namen als Kräuterkundige, so dass nicht nur die einfache Bevölkerung bei ihr Hilfe suchte, sondern auch Ärzte ihr Wissen nutzten. 

Am 21. Januar 1864 heiratete sie Nikolaus Weisgerber und bekam mit ihm zwischen 1866 und 1877 sechs Kinder. Ölmüller Jochem hatte seiner Tochter das Anwesen in den "Hessbachgärten" und "Schlimfeldern", der heutigen Bilsdorfer Strasse übergeben. Dort bauten Lies und Nickel Weisgerber ein eingeschossiges Haus mit angebautem Holzstall. Damals war es für lange Jahre das letzte Haus vor dem Kalkofen-Berg, der Weg über den Steinberg nach Bilsdorf.

Die Postfrau "Noh'es Traud" lief wöchentlich mehrfach den Weg von Saarwellingen über Bilsdorf und Körprich nach Hüttersdorf und machte gerne Rast im letzten Haus bei ihrer Nachbarin aus Jugendtagen. Sie unterhielt den Kontakt zu einer anderen Heilkundigen aus Hüttersdorf und man tauschte Rezepturen, Kräuter und Erfahrungen aus.

Ein erwähnenswerter Punkt im Leben von Olichmillers Lies als Heilkundige war die "Not von Nalbach" im Jahre 1871. Die Chronik erzählt, dass im Nachbarort die Pocken wüteten und über 60 Kinder starben. Lies versuchte mit Salben und Tinkturen aus saurer Tonerde und Johanniskräutern zu helfen, durfte aber selbst nicht über den Fluss Prims.

Ihr Mann, Nikolaus Weisgerber bauerte und hielt Vieh. In den Jahren nach dem deutsch-französischen Krieg (1870-71) wurde die preußische Garnison von Saarlouis nach Metz verlagert, wodurch sich die Bauern beim Transport des Inventars als Fuhrleute ein gutes Zubrot verdienen konnten. Mehrfach war Nikolaus Weisgerber mit dem Gespann zwischen Saarlouis und Metz unterwegs bis ein Defekt die abendliche Heimfahrt unmöglich machte. Er musste unvorbereitet die nasskalte Dezembernacht im Freien verbringen. An der folgenden Lungenentzündung starb er am 14.Januar 1878. Lies musste nun mit der Landwirtschaft und der Heilkunst die Familie ernähren.

1879 kam der Bruder von Nikolaus spät aus dem deutsch-französischen Krieg zurück. Er war Feldscher bei der Armee, fand in einem spanischen Konvent Unterschlupf , und half dort 3 Jahre in einem Lazarett aus. Er nahm sich der Landwirtschaft seines verstorbenen Bruders an und gab das Wissen der Wundversorgung und der Orthopädie an Lies weiter. So konnte sie auch verrenkte Gelenke und Knochenbrüche wieder richten.

Es gibt eine Geschichte, die sich im 1. Weltkrieg abgespielt hat. Damals hatte ein verwundeter Offizier bei Fritze-Nickla "Nassauer Hof" Quartier bezogen. Er hatte einen gebrochenen Arm der schief zusammengeheilt war. Er hörte von Lies Weisgerber und lies sich von der schon betagten Heilerin den Arm erneut brechen und richtig schienen. Als Material dienten damals in Streifen geschnittene Zigarrenkisten. Die Operation gelang....

Lies arbeitete oftmals mit den Medizinern im Ort zusammen. Die friedliche Koexistenz endete 1920, als der  neue Dorfarzt der schon 80 jährigen unter Androhung rechtlicher Schritte das Praktizieren untersagte.

Elisabeth Weisgerber -Olichmillers Lies- verstarb am 23.September 1922 in Saarwellingen. Ihr Anwesen blieb in der Familie und wurde von ihrer Tochter Katharina, verheiratete Fritz, übernommen und wiederum an deren Kinder weitergegeben. Heute leben und praktizieren Jörg und Martina Fritz in ihrem Haus in der Bilsdorfer Straße 33 in Saarwellingen.



Quellen:
Stammbuch Peter Fritz und Katharina Weisgerber
Genealogie: Einwohner von Saarwellingen-Klaus Meyer
Archiv der Gemeinden Saarwellingen und Nalbach
Erzählungen von  Josef und Trine Fritz, sowie Lisa Puhl